Verlags-Idioten

Ein exemplarisches Beispiel über den Unfug mit Verlagsrechten: Bei der Krimiserie von Michael Ridpath bekommt man hierzulande nur die ersten Folgen zu lesen – die letzten Bücher sind digital nicht erhältlich.

Ein Ärgernis der digitalen Welt sind die Geoblockaden. Bei Ebooks und Hörbüchern existiert es in einer speziellen Ausprägung. Im Beitrag Audible macht gar keine gute Figur habe ich beschrieben, wie man mir nicht erlaubt hat, die Harry Potter-Hörbücher in der von Stephen Fry gelesenen Fassung zu hören.

Häh? (Bild: JD Hancock/Flickr.com, CC BY 2.0)

Diesem Problem bin ich wieder begegnet. Ich habe hier und hier die Krimireihe von Michael Ridpath erwähnt, in der Kommissar Magnus Jonson in Island Verbrechen aufklärt und seinem eigenen isländischen Erbe auf die Spur kommt.

Neulich ist mir eingefallen, nach weiteren Folgen dieser Reihe zu suchen. Laut krimi-couch.de sind fünf Bücher erschienen (Where the shadows lie, 66° North, Edge of nowhere, Meltwater und Sea of stone). In Deutsch gibt es lediglich die ersten beiden Bücher.

Nur der Anfang der Serie wurde auf Deutsch übersetzt

Wenn man sich fragt, warum die anderen hierzulande nicht in einer Übersetzung erschienen sind, dann liefern die Titel eine Erklärung: Die ersten beiden Folgen tragen die Titel Fluch und Wut: Es ist offensichtlich, dass der deutsche Verlag damit auf der Millennium-Welle mitschwimmen wollte: Lisbeth Salander ist nun einmal ein Verkaufsgarant.

Aber Reykjavik ist eben nicht Stockholm und Magnus Jonson nicht Mikael Blomkvist. Und der Versuch, Michael Ridpath und Stieg Larsson in einen Topf zu werfen, ist grober Unfug und ich mag es jedem Verlag gönnen, der mit einer solchen Marketingstrategie auf die Schnauze fliegt. Leid tut es mir um die deutschen Leser, die zu wenig Englisch beherrschen, um die Bücher im Original zu lesen. Sie werden nicht erfahren, wie die Magnus’ Suche nach seinen Wurzeln ausgeht.

Aber ich erfahre es womöglich auch nicht. Denn ich bin Kunde bei Amazons Hörbuch-Tochter und konsumiere meinen Lesestoff aus Gründen inzwischen nur noch auf diese Weise. Doch bei dem Hörbuch von «Sea of Stone» heisst es bei Audible.com wieder einmal Folgendes:

Title Not For Sale In This Country/Region Due to publishing rights restriction, we are not authorized to sell this item in the country/region where you live.

Würde Audible.com «Go 🤬 yourself» schreiben, es käme aufs gleiche heraus.

Das ist besonders dämlicher Unfug, da es anders als bei Harry Potter keine Alternative gibt. Auch Audible.de bietet es nicht an, orellfuessli.ch ebensowenig. Das Hörbuch ist schlichtwegs nicht erhältlich.

Warum verzichtet Audible freiwillig auf Einnahmen?

Da fragt man sich schon, weswegen ein Verlag freiwillig auf mein Geld und Einnahmen aus einer ganzen Region verzichtet. Ist das eine Art von anarchistischer Kapitalismuskritik? Ist es eine unterschwellige Form von Diskriminierung? Mag Isis Publishing Ltd, der Herausgeber des Hörbuchs, unsereins hier auf dem alten Kontinent nicht? (Bei dem Namen würde es einen jedenfalls nicht wundern.)

Ich habe eine andere Theorie, nämlich, dass den Verlagen bei ihrem Geschacher mit territorialen Verlagsrechten den Überblick verloren haben. «Due to publishing rights restriction» deutet an, dass irgend ein deutscher Verlag irgend ein Vorverkaufsrecht besitzt. Mutmasslich auf das Gesamtpaket aus Hardcover, Taschenbuch, E-Book und Hörbuch. Allerdings wäre ich offenbar in der Lage, das Ebook bei Amazon zu kaufen, sodass das Problem vielleicht bei den Hörbuchverlagen liegt.

Manche wollen Bücher im Original lesen oder hören

Doch selbst wenn das so sein sollte, würde es keinen Sinn ergeben, das englischsprachige Hörbuch nicht zu verkaufen. Denn wenn einer das Buch im Original hören will, dann will er nicht die deutsche Übersetzung, ganz egal, ob die nun existiert oder nicht.

… nein, ich korrigiere mich. Das ist nicht egal: Eine nicht existierende deutschsprachige Hörbuchfassung wollen Leute wie ich noch weniger als eine, die es tatsächlich gibt.

Was ist dann die Logik? Die Lizenz fürs englischsprachige Hörbuch im deutschsprachigen Raum nochmals separat zu verkaufen, damit es ein hiesiger Sprecher mit schwerem Akzent und üblem Denglisch noch einmal separat einsprechen kann? Natürlich, das wäre eine echte Marktlücke.

Denn sie wisse nicht, was sie tun

Nein, ich glaube, es ist sinnlos, diesen Verlegern irgend eine Form von logischem Handeln zu unterstellen. Es sind einfach Idioten, die nicht wissen, was sie tun.

Leidtragende sind übrigens nicht nur wir Leser, sondern auch die Autoren. Ich habe Michael Ridpath über seine Facebook-Seite angeschrieben und gefragt, weswegen das Buch für mich mit meiner Schweizer Kreditkarte nicht angeboten wird. Er war sich des Problems offensichtlich nicht bewusst und hat versprochen, Abklärungen vorzunehmen. Ich schätze diese Bemühung sehr. Die Erfolgsaussichten bewerte ich allerdings als gering, weil: Siehe vorangegangener Abschnitt.

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