Wie verlässlich sind die Farben bei iPhone und iPad?

Das iPhone 8 Plus im Augenschein, mit einem speziellen Augenmerk auf der True-Tone-Darstellung.

Neulich hat mein iPhone selbsttätig ein Hardware-Update durchgeführt, das den Bildschirm mit einem hübschen, aber auf die Dauer etwas unpraktischen Spinnenmuster überzog. Ich habe daher bei Apple angefragt, ob das eine gute Gelegenheit wäre, eines der aktuellen Modelle zu testen. Denn während ich privat gut mit meinem schon etwas in die Jahre gekommenen iPhone über die Runden käme, sollte ich aus beruflichen Gründen die neuen Modelle kennen. Darum erhalten wir Journis Testgeräte.

Darstellung ohne True Tone (links) und mit (rechts): Wie man im abgeschatteten Bereich rechts sieht, macht das iPhone mit True Tone die Darstellung wärmer, um sich ans orangefarbene Umgebungslicht anzupassen.

Auch in dem Fall hat mir Apple nach einigen Mails ein iPhone 8 Plus zur Verfügung gestellt (Amazon Affiliate). Das habe ich nun ein paar Tage in Betrieb. Nachdem dieses Modell nun nicht mehr brandneu ist und auch nicht gerade wenig publizistisches Echo erfahren hat, werde ich euch nicht mit einer Besprechung langweilen. In aller Kürze seien folgende Dinge gesagt:

  • Den grösseren Akku weiss ich sehr zu schätzen. Auch abends noch dreissig oder vierzig Prozent Reserve zu haben, ist toll.
  • Die zweite Rückkamera für den Telebereich ist sinnvoll und erhöht die Qualität bei Aufnahmen mit längerer Brennweite beträchtlich. Wenn man im Video zoomt, ist der Wechsel von der Normal- zur Telekamera zwar unauffällig. Wenn man genau hinschaut, bemerkt man ihn aber doch.
  • Den Portraitmodus halte ich nach wie vor für eine Spielerei.
  • Die grössere Grösse des Displays macht mir weniger Mühe als befürchtet. Ich bediene das Telefon zwar recht gerne einhändig, bin bisher aber selten in Situationen gekommen, wo ich den Einhandmodus benötigt hätte. Der befindet sich in den Einstellungen bei Allgemein > Bedienungshilfen. Wenn man doppelt auf den Home-Knopf tippt, rückt die App eine halbe Bildschirmseite nach unten, sodass man die oberen Bildschirmelemente mit einem Finger erreichen kann. Was ich allerdings praktisch finde, ist die hier im Video vorgestellte schmale Tastatur.
Der Einhandmodus rückt die Icons nach unten, damit sie besser erreichbar sind.

Also, was ich eigentlich besprechen wollte, ist ein Eintrag namens True Tone, den ich in den Einstellungen bei Anzeige & Helligkeit vorgefunden habe. Er ist beim iPhone X und 8 und bei den neueren iPad Pro-Modellen erhältlich. Er führt laut Apple dazu, «dass Farben und Intensität mithilfe von fortschrittlichen Mehrkanalsensoren an das Umgebungslicht angepasst werden, damit Bilder natürlicher aussehen.»

Farbmanagement? Nein.

Leute wie ich, die gelegentlich mit professionellem Publishing zu tun haben, denken bei dieser Beschreibung sofort ans Farbmanagement. Das ist dazu da, Farben möglichst homogen darzustellen, sodass am Ende einer langen Produktionskette auch genau die Schattierung von fünfzig Grau- oder Farbvarianten zu sehen ist, die man darstellen wollte.

Dazu stellt man seinen Computerbildschirm möglichst so auf, dass immer das gleiche, neutrale Umgebungslicht herrscht. Dann versucht man die Farbdarstellung mittels Monitorkalibrierung so hinzubekommen, dass sie gleichbleibend und neutral erfolgt. Die Details dazu habe ich vor längerer Zeit in aller Ausführlichkeit im Beitrag Die Untiefen der digitalen Farblehre besprochen.

Doch logischerweise ist das Farbmanagement am Mobilgerät ein anderes Paar Schuhe als an der stationären Workstation, wo man seinem Monitor eine schicke Lichtschutzhaube verpassen kann, die ihn vom Umgebungslicht abschirmt. Man nutzt die Geräte unter wechselhaften Bedingungen und sehr unterschiedlichen Lichtverhältnissen. Deswegen versucht sich das Telefon zu adaptieren – auch wenn ich bei Apple keine detaillierte Beschreibung gefunden habe, wie das passiert. trustedreviews.com beschreibt die Sache wie folgt:

True Tone shifts the priorities, making them purely perceptual. It’s out to make whites look white to you, even if a colorimeter would tell you it’s like viewing the world through a pair of novelty John Lennon glasses.

True Tone versucht somit, die Farbwahrnehmung zu neutralisieren. Wenn man sich in einem Raum mit warmem Licht befindet, wird das Telefon die Darstellung ebenfalls ins Warme drehen, weil das Auge die Farben unter diesen Umständen nicht neutral wahrnimmt. Ein kleiner Test in meinem Büro, wo wegen der orangeroten Jalousie von aussen extrem gefärbtes Licht eindringt, bestätigt diese Vermutung.

Apples Ansatz ist einleuchtend, aber trotzdem das Gegenteil des klassischen Farbmanagement, das Farben gleichbleibend neutral darstellen will. Es bleibt aber die Frage, ob dank True Tone die Darstellung professionellen Ansprüchen genügt. Denn da Apple das iPad als professionelles Arbeitsinstrument positioniert, das den klassischen Computer ergänzt oder sogar ersetzt, will man als Gestalter natürlich wissen, ob man seine Fotos beispielsweise auch so bearbeiten kann, damit sie wunschgemäss reproduziert werden.

Der klassische Weg geht vor

Ich neige zur Ansicht, dass das ohne Kalibrierungsmöglichkeit nicht der Fall ist: Wenn es auf die verlässliche Farbdarstellung ankommt, ist der klassische Weg und damit ein Mac oder Windows-PC mit kalibrierbarem Monitor vorzuziehen. Aber es wäre trotzdem geholfen, wenn dank True Tone die Darstellung über die Geräte hinweg möglichst einheitlich erfolgt: Dann könnte man als Profi zwar nicht den Bildschirm, aber immerhin sein Auge für die typische iPhone-/iPad-Darstellung kalibrieren.

Da ich leider nur ein einziges iPhone 8 Plus und kein Farbmessgerät zur Verfügung habe, kann ich das nicht abschliessend beurteilen. Die Geräte, die ich in den Läden nebeneinander habe liegen sehen, lassen mich aber vermuten, dass die Streuung noch immer beträchtlich ist.

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