Der Tee für zugige Berghütten

Der Winterbrise-Tee macht keine übertriebenen Heilsversprechen, aber seinem Namen Ehre: In der Teetasse wärmt er nicht nur die Hände, sondern gibt auch einen hervorragenden Zweittee fürs Frühstück ab.

Über die Unsitte, Tee mit mystisch, esoterisch oder übersinnlich angehauchten Namen auszustatten, habe ich mich ja auch schon ausgelassen. Zu dieser Marotte neigt auch das Unternehmen Narimpex, das auf seiner Website nichts weiter über sich preisgibt, als dass es sich um einen Familienbetrieb handelt.

Alpenfeuer und Alpenglanz

Da gibt es den «traumhaften Kräuterabend», das «Alpenfeuer» und den «Alpenglanz», sowie den «taufrischen Kräutermorgen». Was vergleichsweise harmlos ist. Der Spiegel hat im Beitrag Schwer geteebeutelt einige Müsterchen auf Lager:

Ein Beutelchen wie ein Berg…

Als ich neulich bei Freunden auf dem Sofa Platz genommen hatte, bot man mir Tee an. «Wir haben ‹Mutquelle›, ‹Lebensfreude› und ‹Fühl Dich stark›», sagte die Gastgeberin.

Worauf sich der Autor, Tom König, verzweifelt fragt:

Wie konnte es passieren, dass mein Freund, der Tee, zu einem derart albernen Produkt mutiert ist? Es gibt im Supermarkt inzwischen ein ganzes Regal voller Aufgussbeutelchen mit Namen wie «Glückliche Mutter» (fördert «emotionale Wärme und Gelassenheit») oder «Schülerglück» (für «Konzentration und Lernfreude»). Wer sich als echter Kerl jetzt irgendwie ausgegrenzt fühlt, der sei unbesorgt: Es gibt auch «Managertee».

König neigt dann zur Empfehlung, einem Tee auch mal einen Namen wie «Bring den Müll raus» zu geben. Und er impliziert auch die Frage, wie weit diese Wellnessversprechen von den kleinen Beutelchen denn wirklich einhalten lassen.

Aber eben: Der Kräutertee, um den es hier gehen soll, hat einen geradezu harmlosen Namen: Es heisst «Winterbrise», was meiner bescheidenen Meinung nach kein Wellnessversprechen beinhaltet, weil mich eine Winterbrise an eine SAC-Hütte mit Durchzug erinnert. Aber vielleicht ist diese Assoziation gewollt – denn in dieser frösteligen Situation würde man sich noch so gern an einer heissen Tasse dampfenden Tees festhalten.

Zitron­ent­hymian und ein bisschen Ingwer

Wie auch immer. In der bei Migros erhältlichen Winterbrise ist Zitron­ent­hymian und ein bisschen Ingwer drin. Der Tee schmeckt mehr nach Zitrone denn nach Thymian – und er schmeckt ganz anders als der mit ihm verwandte Oregano-Tee, den ich hier besprochen habe. Viel feiner, erfrischender und vergleichsweise mehrheitsfähig, trotzdem mit einem stattlichen und interessanten Körper. Geschmacklich angenehm und nicht zu vergleichen mit dem klassischen Zitronentee, der, wenn er aus Granulat gemacht wird oder sogar aus dem Automaten tropft, nichts anderes ist als eine Beleidigung jedes einzelnen Geschmacksnervs.

Der Tee fällt bei mir in die Kategorie der Frühstückstees. Er passt ungleich besser auf den morgendlichen Frühstückstisch als ans feierabendliche Fernsehsofa. Nachteil ist halt, dass er, anders als zum Beispiel Grüntee, kein Tein enthält und damit je nach Situation nicht ausreichend aufputscht. Ich empfehle ihn daher als Zweittee, nachdem die erste Tasse ihre Wirkung auf den Kreislauf ausgeübt hat…

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