Dunkle Geheimnisse gehören ins Netz

Wer Facebook mit einem Beichtstuhl verwechselt, der muss Hohn und Spott befürchten. Doch wer das Verlangen spürt, Intimes im Internet preiszugeben, kann das mittels Apps anonym und unerkannt tun…

Die tiefsten, dunkelsten Geheimnisse mit der Welt teilen – aber im Schutz der Anonymität? Das verspricht nicht nur die Post Secrets (gratis im App Store), sondern auch eine gleichnamige App, die für einen Franken zu haben ist, ebenso wie iConfessions. Diese App kostet ebenfalls 1 Franken, richtet sich aber eher an ein jüngeres Publikum. Und als ob das nicht genug wäre: Auch Whisper (kostenlos) empfängt seine User lässt verstohlene Bekenntnisse zu.

Links: Dunkle Geheimnisse können auch romantisch sein. Rechts: Klar, Voyeurismus natürlich schon mit dazu.

Ein Mann, der Sinatra für mich singt

«Ich habe mit zwei verheirateten Arbeitskollegen geschlafen», gesteht SecretSquirrel. «Ich bin zu faul, in den Tag zu starten. Dabei ist es schon zwei Uhr am Nachmittag», lässt mjg005 uns alle wissen. «Es war schön, dich zu treffen. Deinen Namen habe ich in dem Moment vergessen, als du ihn mir gesagt hast», verkündet b0mbshell_Cold ins Netz. Und K Lo verrät ihren Traum, wenn sie sagt: «Ich will einen Mann, der Sinatra für mich singt».

Man ruft seine Geständnisse ins Netz, und hofft auf Absolution von der Community. Und wo Beichtzwang herrscht, gibt es Voyeurismus und Schamlosigkeit. Sie wird bei der ersten Post-Secrets-App befeuert, indem man sich zwar unter einem Pseudonym äussert, aber geografisch erfasst wird und ein Bild hochladen sollte. Die faule mjg005, die auch um zwei Uhr nachmittags nicht aufstehen mag, hat auf dem Bett liegend zur Veranschaulichung ihre Beine fotografiert. Das macht die Sache nicht glaubwürdiger oder relevant, aber es weckt beim Spanner Fantasien. Über das Forum können die Geständnisse diskutiert, aber auch gemeldet werden – falls sie den akzeptablen Grad an Abgründigkeit überschreiten sollten.

Links: Die Geheimnisse sind, bitte schön, bildlich zu illustrieren. Rechts: Was wohl meine Nachbarin zu verbergen hat? (Allerdings zeigt sich, dass die Geheimniskrämerei in Europa noch Wachstumpotenzial besitzt.)

Um das Spiel aus Heimlichtuerei und Vielleicht-doch-Erkannt-Werdens auf die Spitze zu treiben, wird jeder Post mit dem Ursprungsort versehen. Streifzügen durch die Geheimnisse der Zeitgenossen führt man in seiner unmittelbaren Umgebung – und begegnet, unbekannterweise, vielleicht dem Pöstler, Taxifahrer oder der Nachbarin.

Den Mitteilungsdrang nicht bei Facebook ausleben

Ist das nun harmloser Zeitvertreib oder ein Antrieb für Neugierde der frivolen Art? Das muss, wie immer, jeder für sich entscheiden. Eins ist aber klar: Wer eine dieser Geheimnis-Apps benutzt, der ist sich klar darüber, wie man seinen Mitteilungsdrang kanalisieren müsste – und welche Botschaften bei Facebook nichts verloren haben.

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